
4
NovemberVorgeschlagene Anpassungen des österreichischen Patentrechts im Bereich biologischer und biotechnologischer Verfahren
Zusammenfassung
In einem Ende Oktober 2022 veröffentlichten Ministerialentwurf wird vorgeschlagen, einzelne Bestimmungen zur Patentierung von Pflanzen und Tieren zu präzisieren.
Der ursprüngliche Katalog der von der Patentierung ausgeschlossenen Pflanzensorten und Tierrassen sowie Züchtungsverfahren wurde im Lauf der Zeit von der Rechtsprechung präzisiert und ergänzt. Nicht mehr patentierbar sollen nunmehr Zellen sein, die als Endprodukte aus einem rein biologischen Verfahren gewonnen wurden. Klargestellt wird auch der Begriff des “rein biologischen Verfahrens”, wobei nunmehr auch nicht zielgerichtete Mutagenese oder in der Natur stattfindende, zufällige Genveränderungen ausdrücklich als im wesentlichen biologisch anzusehen sind; solche Erfindungen sind damit nicht mehr patentrechtlich schutzfähig.
Weiters werden zusätzliche Einschränkungen des Patentschutzes vorgeschlagen, die die Nutzung von patentierten Pflanzen im Zusammenhang mit der Züchtung von Pflanzen vom Patentschutz freistellen. Ebenso sollen Pflanzen und Tiere, die durch rein biologische Verfahren gezüchtet wurden, künftig selbst dann nicht vom Patentschutz betroffen sein, wenn sie alle patentrelevanten Merkmale aufweisen.
Schließlich wird in Umsetzung des Nagoya-Abkommens dem Anmelder nunmehr vorgeschrieben,im Rahmen der Anmeldung die Herkunft verwendeter genetische Ressourcen sowie des traditionellen Wissens über diese genetischen Ressourcen offenzulegen.
Im Detail wären nach diesem Vorschlag für § 2 Abs 2 PatG folgende Erfindungen von der Patentierung ausgeschlossen:
Pflanzensorten und Tierrassen: Das Europäische Patentamt1 stellte schon im Jahr 1999 klar, dass mit dem Ausschluss der Pflanzensorten und Tierrassen nicht jegliches pflanzliches und tierisches Material vom Patentschutz ausgenommen war, sondern nur Patentansprüche, die sich auf gesamte Pflanzensorten bezogen. Diese Regelung wurde 2005 auch in das österreichische Recht übernommen.2 Pflanzen sind also nicht schlechthin vom Patentschutz ausgenommen, solange der Patentanspruch nicht genau eine Pflanzensorte schützt. Ein Patent, in dem bestimmte Pflanzensorten nicht individuell beansprucht sind, kann also auch dann schutzfähig sein, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfasst.
Diese Entscheidung erging auch vor dem Hintergrund der Regelung des Ausschlusses von Pflanzensorten: Die Patentierung soll hier nämlich nicht aus ethischen Gesichtspunkten heraus verboten werden, vielmehr geht es um eine Vermeidung eines Doppelschutzes zwischen dem Patent und dem Sortenschutzrecht. Mit der Entscheidung ist eine solche Doppelgleisigkeit ausgeschlossen.
Züchtungsverfahren:
Eine weitere Patentierungsausnahme betrifft3 Züchtungsverfahren. In zwei Leitentscheidungen aus dem Jahr 2010 hat das Europäische Patentamt den Begriff des Züchtungsverfahrens sehr weit ausgelegt, sodass Verfahren schon dann als Züchtungsverfahren gelten, wenn sie einen Schritt enthalten, der vollständig auf natürlichen Phänomenen beruht. Beispielhaft erwähnt der Gesetzgeber etwa Kreuzung und Selektion. Mit der vorgeschlagenen Novellierung wird klargestellt, dass auch nicht zielgerichtete Mutagenese oder in der Natur stattfindende, zufällige Genveränderungen unter die Patentierungsausnahme fallen.
Gezüchtete Pflanzen und Tiere: Als Reaktion auf die Ablehnung ihrer Anmeldungen beanspruchten die Anmelder anstelle des Züchtungsverfahrens das erhaltene Endprodukt, also die Pflanze selbst. Dies wurde vom Europäischen Patentamt in einer weiteren Leitentscheidung4 zunächst als zulässig angesehen. Auf Bestreben einzelner Mitgliedsstaaten des EPÜ wurde diese Entscheidung jedoch insoweit wieder revidiert, als im Jahr 2017 eine gegenteilige Vorschrift5 erlassen wurde, die “durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnene Pflanzen oder Tiere” ausdrücklich von der Patentierung ausnahm. Der Vorrang dieser Vorschrift war zunächst umstritten, wurde jedoch in einer weiteren Leitentscheidung6 des Europäischen Patentamts akzeptiert. Österreich, das diese Patentierungsausnahme ebenfalls befürwortete, hatte eine analoge nationale Regelung bereits seit 2017.7
Zellen gezüchteter Pflanzen und Tiere: DerMinisterialentwurf8 hat nun zum Ziel, den Patentschutz dahingehend weiter zu beschränken, dass nicht bloß ganze Tiere und Pflanzen, sondern auch Zellen solcher Tiere und Pflanzen vom Patentschutz ausgenommen sein sollen. Der Schutz von Erfindungen, die solche Zellen beanspruchen wird damit unzulässig. Dies bedeutet, dass für derartige Anmeldungen keine Patente mehr erteilt werden dürfen und auch bereits erteilte Patente mit Nichtigkeit bedroht sind. Im Ergebnis ist damit sichergestellt, dass Pflanzen und Tiere auch nicht über den Umweg des Schutzes einzelner Zellen unter patentrechtlichen Schutz gestellt werden können.
2. Schutzeinschränkungen für Patente
Auch wenn im Einzelfall ein Patent für Pflanzen und Pflanzenbestandteile erhalten werden kann, werden im Gesetz zusätzliche Einschränkungen eingeführt, die bestimmte Handlungsweisen vom Patentschutz ausnehmen sollen. Im Ergebnis kann in solchen Konstellationen ein an sich gültiges Patent nicht durchgesetzt werden.
Forschungsprivileg: Dabei stellt eine neu vorgeschlagene Vorschrift9 klar, dass die herkömmliche Entwicklung von Pflanzensorten durch Patente nicht beeinträchtigt wird, selbst wenn diese sich auf Pflanzen erstrecken sollten. Hintergrund dieser Vorschrift ist ein eingeschränktes Versuchs- und Weiterentwicklungsprivileg für Pflanzenzüchter. Diese dürfen im Rahmen der Forschung an und Entwicklung von Pflanzensorten patentierte Pflanzen als Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen verwenden, ohne vom Patentschutz betroffen zu sein. Dabei sind sowohl der Akt der Weiterzüchtung wie auch die Nutzung der gezüchteten Sorte nicht vom Patentschutz umfasst.
Im Ergebnis wird damit erreicht, dass ein Züchter – ohne vom Patentschutz betroffen zu sein, eine patentierte Pflanze weiter entwickeln kann und diese zum Ausgangspunkt für die Entwicklung einer eigenen Pflanzensorte nimmt. Diese Pflanzensorte ist dann nicht vom Patentschutz betroffen, Pflanzen können dementsprechend verkauft werden.
Privilegierung unabhängige Züchtungen: Zudem soll eine weitere Schutzeinschränkung10 auch Pflanzen und Tiere vom Patentschutz freistellen, die zwar vom Wortlaut her unter das Patent fallen, dh alle im Patentanspruch spezifizierten Eigenschaften aufweisen, jedoch unabhängig vom patentierten biologischen Material durch biologische Verfahren (Züchtungsverfahren) hergestellt wurden. Kommt also ein Pflanzen- oder Tierzüchter durch unabhängige Züchtung zu einem patentierten Ergebnis, ist ein solches Ergebnis nicht vom Patentschutz betroffen.
Problematisch bleibt in dieser Konstellation aber die Beweislast: Die vorliegende Vorschrift ist als Patentierungsausnahme konzipiert, dh alle Voraussetzungen für das Vorliegen der Ausnahme, insbesondere auch die Umstände der Unabhängigkeit der Entwicklung sind vom Züchter und nicht etwa vom Patentinhaber zu beweisen. Dies führt dazu, dass ein Züchter im Streitfall nachweisen muss, auf welche Weise seine Entwicklung zustande gekommen ist.
3. Anpassung des Patentrechts an das Nagoya-Protokoll
Eine weitere Anpassung11 soll das nationale Patentrecht an das Nagoya-Protokoll “über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile” anpassen. Unter einer solchen genetischen Ressource versteht man “jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält”. Ist nun eine solche “genetische Ressource” Gegenstand einer Patentanmeldung, ist die Herkunft dieser Ressource auch ausdrücklich nennen. Ebenso ist auch traditionelles Wissen, das sich auf eine solche genetische Ressource bezieht, ausdrücklich zu nennen.
Bemerkenswert ist, dass es diese Regelung – zumindest was die Prüfung der Patentanmeldung betrifft – sanktionslos ist. Die Angabe der Herkunft genetische Ressourcen oder traditionellem Wissen von wird vom Patentamt nicht geprüft, eine Patentanmeldung kann auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Bezeichnungspflicht zurückgewiesen werden. Nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Richtlinie der EU ist es auch nicht möglich, den ein Patents alleine aufgrund des Umstands zu beseitigen, dass eine Angabe der Herkunft genetischer Ressourcen unterblieben ist.
1 GBK-EPA 20.12.1999, G 1/98, ABlEPA 111, 2000.
2 § 2 Abs 2 S 3 idF BGBl. I Nr. 42/2005.
3 GBK-EPA 9.12.2010, G 2/07; GBK-EPA 9.12.2010, G 1/08.
5 R 28 AOEPÜ; Beschluss des Verwaltungsrats 29.06.2017, CA/D 6/17,
ABlEPA 2017, A56.
6 GBK-EPA 14.5.2020, G 3/19 – Pepper.
7 § 2 Abs 2 S 1 idF BGBl. I Nr. 71/2016.
8229/ME XXVII. GP.
9 229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 3, § 22 Abs 1a PatG idF.
10 229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 3, § 22 Abs 1b PatG idF.
11 229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 9, § 89 Abs 3 PatG idF.
Reviews